Vor einigen Tagen war in einem Beitrag die Rede von den Abnahmebeamten der Gewehrfabriken Spandau und Erfurt und ich wollte mich an die Arbeit machen, ein paar Zeilen zu schreiben. Leider erinnere ich mich nicht mehr an den Artikel, so dass ich den nun fertigen Text hier unterbringen möchte. Für manche Sammler mag es auch ein zu „trockener Stoff“ sein.
Eine kurze Vorbemerkung.
Das Auffinden aber auch insbesondere das Auswerten von Archivalien bezüglich der Parabellum Pistole bedarf einer gewissen Erfahrung. Die Quellen müssen im Zusammenhang mit dem damaligen Zeitgeist und dem Verständnis der damals gängigen Sprache ausgewertet oder zumindest gedeutet werden. Unabdingbar ist hier die „richtig gefühlte Sprache“.
Als Beispiel dafür sei hier angeführt …. solle den Bedarf an Taschen gefälligst bis…mitteilen!
Selbst aus dem Satzzusammenhang herausgelöst, befällt uns beim Wort “ gefälligst“ in jeglichem vorstellbaren Zusammenhang in unserem heutigen Sprachgebrauch ein gewisses Unbehagen. Seinerzeit wurde das Wort zur Verstärkung einer dringlichen Bitte benutzt. Soweit zu dem Beispiel.
Die hier nachfolgend aufgeführten und bereits ausgewerteten Quellen wurden von so herausragenden Kennern deutscher Militärwaffen wie R. Kornmeyer, J. Görtz, H. Reckendorf und K. Schäfer in Verbindung mit dem notwendigen Verständnis der zeitgenössischen Umstände beschrieben, so dass hier nur noch eine Zusammenfassung möglich erscheint.
Ausdrücklich bedanke ich mich bei Ihnen sehr, da mir jeder von Ihnen in besonderer Weise und immer uneigennützig hilfreich zur Seite stand. Nun aber zu den Abnahmestempeln.
Reckendorf bietet im Anhang seines Buches „Handwaffen des Königreiches Preussen“ unter anderem einen Auszug aus der „Instruktion für den Ersten Revisionsbeamten in den Militärfabriken“ datiert 19. November 1871.
Die darin beschriebenen Sachverhalte möchte ich, erweitert um diesbezüglich vertiefende Informationen aus Gesprächen und persönlicher Korrespondenz mit Hans Reckendorf und Joachim Görtz, zusammenfassend beschreiben. Grundsätzlich müssen wir erst einmal zwischen Beschuss- und Abnahmestempel unterscheiden!
Die Vorschriften des Beschußgesetzes von 1891 galten nicht für Handfeuerwaffen, die durch eine Militärverwaltung oder im Auftrag einer solchen hergestellt worden waren. Die Militärverwaltungen schrieben aber schon im achtzehnten Jahrhundert ihren Gewehrfabriken und den an ihr Militär liefernden Privatfirmen die Gewaltprobe, also den Beschuss, der Läufe und deren Ablauf bindend vor. Über die Beschussstempel auf deutschen militärischen Handwaffen, gleichgültig ob diese aus einer staatlichen Gewehrfabrik oder einer Privatfirma bezogen wurden, wachte also zunächst das Kriegsministerium des jeweiligen Königreiches, das die Waffen erhielt. Das jeweilige Kriegsministerium konnte aber aus Kosten- oder Zweckmäßigkeitsgründen, und darüber hinaus im jeweiligen Einzelvertrag neu entscheidend, den Beschuss des anderen Teilstaates anerkennen, was auch häufig so praktiziert wurde. Der Staat also stellte entsprechend den geschilderten Verhältnissen die Beschuss- und Abnahmestempel her, bzw. lies sie herstellen und überwachen. Wie aus der 1871 datierten Instruktion hervorgeht, wurden einzelne Waffenteile, die nicht maßhaltig waren oder Toleranzen überschritten, aber ansonsten die Funktionstüchtigkeit der gesamten Waffe nicht zu stören schienen, dem ersten Revisionsbeamten vorgelegt, der nach Rücksprache dem Direktor entschied, ob das fragliche Waffenteil angenommen oder abgelehnt wurde. Letztendlich entschied somit der Direktor über die Annahme fraglicher Teile. Um den Revisor vor späteren Sanktionen und Regressen zu schützen wurde der R.C. – Stempel geschlagen. Diese Praktiken werden auch im nachfolgend kurz angeschnittenen Liefer- Vertrag zwischen Preußischem Staat und DWM sehr deutlich beschrieben und können somit als gegeben und praktiziert bis Ende der Kaiserzeit angenommen bzw. unterstellt werden.
Wenn wir uns jetzt den Abnahmestempeln auf den frühen 08 Pistolen der Kaiserzeit etwas näher zuwenden, so müssen wir drei Zeitabschnitte unterscheiden: Die Zeit von der Annahme der P08 Ende 1908 bis 1910, dann den Zeitraum von 1910 bis 1913 und zuletzt den Zeitraum von 1913 bis 1918.
Die Abnahme des ersten Zeitraumes war ausschließlich durch den Vertrag zwischen dem preußischen Staat und der Privatfirma DWM bestimmt. In diesem, heute von uns Sammlern viel zu wenig beachteten, Vertrag nimmt die Abnahme einen nicht unbeträchtlichen Raum ein.
Besonders erwähnenswert erscheint mir , dass es mehrere Leeren- Sätze gab: Zum einen Arbeitsleeren, nicht zu verwechseln mit den Arbeiterstempeln, die an verdeckter Stelle zu schlagen waren und welche die Leistung der einzelnen Arbeiter kontrollierbar machen sollten, dann die Abnahmeleeren der Abnahmebeamten (Revisoren) und die Gegenstücke zu den benutzten Leeren, die unter Verschluss des Oberrevisors waren, um die Maßhaltigkeit der benutzen Leeren ständig überprüfen zu können.
Um diese Arbeit nicht ausufern zu lassen, verzichte ich hier auf weitere Beschreibungen.
Um 1910 kam dann die Stempelvorschrift des Infanterie- Konstruktions- Büros Spandau. Ihren Ursprung verdankt sie wohl dem anstehenden Fertigungsbeginn bei der Staatlichen Gewehrfabrik Erfurt. Bei den Waffen aus der DWM Fertigung änderte sich mit dieser Vorschrift lediglich der Ort der Abnahmestempel von der linken Gabelseite auf die rechte. Alle weiteren in dieser Vorschrift festgelegten Details wurden nur bei den P08 aus Fertigung der Staatlichen Gewehrfabrik Erfurt umgesetzt. Für die Privatfirma DWM bestanden wohl die im Liefervertrag vom November 1908 festgelegten Bedingungen auch für die bis Kriegsende hergestellten und gelieferten Ordonnanzpistolen.
Ergänzungen wie Kammerfang und Kupplungsleiste führten dann durch ergänzende Bestimmungen zum erwähnten Zeitraum zwischen 1913 und 1918.
Kommen wir nun zu den einzelnen Abnahmebeamten.
Horst W. Laumanns ist es zu verdanken, dass uns die Namen der Abnahmebeamten heute vorliegen. Laumanns Arbeit bestand aus der Auswertung der namentlichen Veröffentlichung der Waffenmeister im Militär Wochenblatt. Er berichtete bereits 1980 und 1983 ausführlich darüber im monatlich erscheinenden Deutschen Waffenjournal. (Leider hat die Qualität dieser ehemals führenden deutschen Waffenzeitschrift so sehr gelitten, dass ich mich seit nunmehr 10 Jahren, wie auch andere Sammlerfreunde, von dieser Zeitschrift gelangweilt abwenden musste- dieser Satz musste sein!). Nach Ausbruch des I. Weltkrieges unterblieb dann allerdings aus Geheimhaltungsgründen die weitere Veröffentlichung der Revisoren, so dass wir nur den uns interessierenden Überblick von 1908 bis 1914 hier einsehen können.
Die Namen der Abnahmebeamten für die Gewehrfabrik Spandau sind: Balle, Balschmieter, Baranowski, Bartz, Cesarz, Dahlke, Dobcynski, Gebhardt, Grüber, Hesshaus, Kanschat, Kellner, Körner, Kuhwald, Marquardt, Reinke, Schilling, Schön, Triebel und Zehner.
Die Namen der Abnahmebeamten für die Gewehrfabrik Erfurt sind: Austen, Bettig, Büttner, Gebhardt, Höfling, Kempf, Klose, Köhler, Kunze, Kutzi, Liebert, Mathesius, Reif, Schuch Walther und Wiebe.
Erwähnt werden unter anderem auch die Ernennungsdaten der jeweiligen Abnahmebeamten und zusätzlich Hinweise auf erfolgte Wechsel z.B. von der Gewehrfabrik Erfurt nach Spandau oder auch in umgekehrter Richtung.
Davon ausgehend, dass die Abnahmestempel einzelne Buchstaben des Alphabets wiedergeben und zudem auch den Anfangsbuchstaben des Familiennamens darstellen, so erschweren die mehrfachen Belegungen z.B. des Buchstaben K bei Erfurt die direkte Zuordnung der Namen zu den Abnahmestempeln.
Wenn wir uns die Abnahmestempel der DWM Pistolen ansehen, so erkennen wir zwar jeweils einzelne immer wieder verwendete Buchstaben der Stempel innerhalb zusammenhängender „Fertigungslose“, aber zwangsläufig hilfreich sind die daraus resultierenden Erkenntnisse auch nicht. Zwei Beispiele: DWM aus der Erstlieferung, noch ohne Jahreszahl und mit den Abnahmestempeln Krone T und Krone Z auf der linken Gabelseite. Das könnten nach der Lister Triebel und Zehner sein- Treffer!
Bei DWM 1913 mit den Abnahmestempeln X, Q und F jeweils unter der Krone haben wir aber schon unlösbare Probleme. Alle drei Buchstaben kommen als Anfangsbuchstaben der Spandauer Abnahmebeamten gar nicht vor.
Unterstellen wir, dass Laumann unzureichend gearbeitet hätte, oder aber die, die notwendigen Informationen entsprechenden Listen abhanden gekommen wären, so müssen wir erkennen, dass deutsche Familiennamen mit Q und X sehr selten sind. Und die Tatsache, dass das X auf P08 bis 1914 in zwei verschiedenen Ausführungen vorkommt, erleichtert die Wahrheitsfindung leider auch nicht.
Nehmen wir an, dass die Sache mit der Identität der Anfangsbuchstaben der Abnahmestempel mit dem entsprechenden Anfangsbuchstaben der Familiennamen ein Trugschluss ist, so bringt mich auch diese Annahme erst einmal nicht weiter.
Die in einigen Beiträgen erwähnten unterstrichenen oder auch die, durch seitwärts ausgerichtete immer bogenförmig auftretenden Linien ergänzten, Abnahmestempel finden wir auf den 08 Pistolen beider Hersteller erst ab 1917. Bei den DWM ist es nur ein „unterstrichenes“ T, bei Erfurt finden wir eine ganze Reihe verschiedener Abnahmestempel mit zusätzlich seitlich gebogenem „Strich“ auf der jeweils linken Seite des Abnahmestempels oder ebenfalls nur unterstrichen. Abnahmestempel auf DWM Pistolen haben bis 1914 eine vierteilige Krone, Erfurt Pistolen immer eine dreiteilige. Ob das ein Indiz für Abnahmebeamte ist, die von Erfurt nach Spandau wechselten? Fragen über Fragen, aber nur wenige Ansätze zur Beantwortung derselben.
Festhalten kann man auf jeden Fall, dass es keinen Abnahmestempel gibt, der auf P08 beider Hersteller zu finden ist!!! Abnahmestempel sind also den Gewehrfabriken direkt zuzuordnen!!! Auch auf 08 Zubehören wie Schraubenzieher, Trommelmagazine, Anschlagbrettchen der LP08 oder Wischstöcke finden wir Abnahmestempel, die den jeweiligen Gewehrfabriken zugeordnet werden können- ein zwar erfreulicher Umstand, aber leider auch nicht hilfreich bei der Identifizierung einzelner Abnahmebeamter.
Beschrieben wird allerdings schon in der oben erwähnten Instruktion von 1871, dass es üblich und Vorschrift war, den persönlich geführten Abnahmestempel, bei Eintritt oder infolge Versetzens in eine Gewehrfabrik, neben dem Familiennamen auf eine Zinkplatte zu schlagen, um auch nach Jahren die Verantwortlichkeit der abgenommenen Waffen oder deren Teile zuzuordnen. Erst wenn diese Zinkplatten wieder auftauchen sollten, wäre eine zweifelsfreie Klärung hinsichtlich der Abnahmebeamten gegeben.
Das ist jetzt doch, trotz allen Bemühens, ein langer Artikel geworden. Ich hoffe, dass er zumindest für einige Sammler auch ein bisschen interessant ist.